Notizen
(hauptsächlich für „erwachsene“ Menschen, die sowas manchmal brauchen)
zu
Die Konferenz der Tiere
von Erich Kästner
in einer Bearbeitung von KITZ
This is all wrong.
Greta Thunberg
Die Aufnahmen
Mitte März beginnt der „Lockdown“. Holzrahmen für Kulissen verstauben verschraubt in der leeren Klasse. Nagen die Schulmäuse an den Papierrollen mit Bühnenbildern?
Alles umsonst?
Nach und nach zischen Aufnahmen durch den Äther.
An Küchentischen, in Kinderzimmern, auf Wohnzimmersofas, vor Meerschweinchenkäfigen, neben dampfenden Nudeltöpfen, manchmal in den Kurzpausen der Langarbeitszeit im offiziösen Home, zuweilen morgens, hin und wieder abends - so entstehen an Telephonen, Computern, Tablets… kurze und längere Sprechwunder. Der Klang, die Hintergrundgeräusche, die Lautstärken: alles ist bunt, durcheinand´ - und wundervoll!
Perfektion? Ambrose Bierce gibt in seinem Wörterbuch des Teufels die schlichte Antwort:
PERFECTION, n. An imaginary state of quality distinguished from the actual by an element known as excellence; an attribute of the critic.
Wer ließe sich nicht gern hinreißen von diesen „actuals“, die in ihren Aufnahmen flüstern, schreien, brüllen, kichern? Wer bliebe kühl bei all dem Witz, all der Kraft - und all der Traurigkeit, in die uns die Stimmen der Kinder mitnehmen?
Inhalt
Julius schreibt an Leopold: Die Menschen behaupten, sie hätten die Welt gerettet! So nicht! Die beiden machen sich daran, die wahre Geschichte der Rettung der Welt aufzuzeichnen.
Alles beginnt an Oskars Geburtstag, der von Nachrichten des nächsten Scheiterns der Menschen unterbrochen wird. Die Tiere ärgern sich. Es muss etwas geschehen!
Oskar hat eine Idee. So klingelt wenig später bei Paul am Nordpol das Telephon: Oskar lädt alle Tiere der Welt zur einzigen und letzten Konferenz der Tiere.
Wir werden Zeuge eines Telephonats von General Zornmüller, der inkognito die Abreise der Tiere beobachtet: Sie sind unterwegs zum Hochhaus der Tiere.
Dort beginnt die Konferenz mit einer Rede Pauls, der sich auf der Anreise verkühlt hat. Gegen Ende der Rede muss Paul so laut niesen, dass die Lautsprecher der Übertragungen bersten.
Zornmüller protestiert im Namen der Menschen gegen diesen „Anschlag“. Die Forderungen der Tiere werden natürlich abgelehnt.
Max hat einen Vorschlag - der sofort in Taten umgesetzt wird: Mäuse sollen alles Aktenmaterial der Menschenkonferenz anknabbern, so wollen die Tiere ihren Forderungen Nachdruck verleihen. Schockiert berichten Reporter von den Vorfällen. Aber wieder lehnen es die Menschen ab, auf die Forderungen der Tiere einzugehen. Auch der nächste Einfall beeindruckt Zornmüller nicht.
In ihrer Verzweiflung greifen die Tiere zu einem letzten Mittel - und bringen die Menschen damit zur Vernunft und zum Einlenken.
More than anything, this pandemic has fully, finally torn back the curtain on the idea that so many of the folks in charge know what they’re doing.
Barack Obama
Kontext
Erich Kästner veröffentlichte „Die Konferenz der Tiere“ 1949 - „ein Buch für Kinder und Kenner“ wie es im Untertitel bezeichnet wird.
Es war ein politisches Buch - zu politisch: Walt Disney lehnte es aus diesem Grund ab, die Filmrechte am Text zu erwerben.
Damals, unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg, war das Kernthema der Wunsch nach einem dauerhaften Weltfrieden.
Damals (bis ins Jahr 1950 reichen die offiziell verfügbaren Daten der Wetterstatistik in Wien) gab es etwa drei- bis viermal so viele Eistage wie Hitzetage in Wien. Schlittenfahren im Prater war die normalste Sache der Welt. Graham Greene lässt seinen Wildwest-Autor Holly Martins im dichten Schneetreiben eines Februartages in Wien ankommen: Auch „Der dritte Mann“ hatte 1949 Premiere…
Heute ist das Verhältnis umgekehrt. Also steht winters im Prater eine Schneekanone - und nicht einmal die ist einsatzfähig, weil der Schnee sofort schmilzt.
Vielleicht hätte sich Kästner dieser Tage den Forderungen der Fridays for Future Proteste angeschlossen.
In der Vereinbarung der Tiere mit den Menschen heißt es unter Punkt 5: „Die bestbezahlten Beamten werden in Zukunft die Lehrer sein. Die Aufgabe, die Kinder zu wahren Menschen zu erziehen, ist die höchste und schwerste Aufgabe. Das Ziel der echten Erziehung soll heißen: ‚Es gibt keine Trägheit des Herzens mehr!‘“
„Naturgemäß“ (ein Wort, das seit jeher Bildungsminister in anfallartigen Schluckauf versetzt hat) sind die Lehrerinnen und Lehrer bei weitem nicht die bestbezahlten Beamtinnen und Beamten geworden. Auch hat das Ziel der Bildung im österreichischen Volksschul-Lehrplan nichts mit Kästners Wunsch gemein. Dort ist das „Allgemeine Bildungsziel“ so formuliert: „Die jungen Menschen sollen zu gesunden, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich als Mitglied der Europäischen Union herangebildet werden.“ … „Glieder“!! … Die Prioritäten - in dieser Reihenfolge: „Gesund. Arbeitstüchtig. Pflichttreu.“ Und - aber nur wenn´s leicht geht - „verantwortungsbewusst.“
Wie schließt Oskar seine Rede?
„Wir haben seit heute früh die Verantwortung für eure Kinder übernommen.
Ihr werdet sie erst zurückbekommen, wenn sich eure Regierungen vertraglich verpflichtet haben, die Welt vernünftig und anständig zu verwalten.
Sollten sich die Staatsmänner weigern, so werdet ihr wissen, warum ihr eure Kinder nie mehr wiederseht.
Mehr habe ich euch nicht zu sagen.“
Cum dederit dilectis suis somnum.
(Denn seinen Geliebten gibt er Schlaf.)
Psalm 126
Wir sind uns nicht einmal einig, nicht einig zu sein.
Janis Varoufakis
Eine „Aufführung“
Nun, etwa ein Jahr nach Beginn unserer Aufnahmen, haben wir von der bevollmächtigten Vertretung des Alleinerben des Schriftstellers Erich Kästner die Erlaubnis, unsere Arbeit in der Radiofabrik zu senden:
Großer DANK
an die Rechtsanwaltskanzlei Beisler in München
und an die Radiofabrik Salzburg!
Sendetermin: 18.04.2021, 10:06 Uhr vormittags
Ein kleiner Vorgeschmack:
Manche Leute glauben, dass man die Ohren nur dazu hat, um damit zu wackeln.
Pippi Langstrumpf